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Saarlouiser Schüler putzen Stolpersteine und gedenken der Opfer des Nationalsozialismus

  • 27. Januar 2022

Das physische Grauen endete für die überlebenden Häftlinge des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 1945, als Soldaten der Roten Armee das Konzentrationslager im heutigen Polen befreiten. Seit 1996 ist dieser Tag in Deutschland als „Tag des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus“ offizieller gesetzlicher Feiertag. Neben den rund sechs Millionen ermordeten Juden wird an diesem Tag auch der getöteten Kommunisten, Sozialisten, Widerstandskämpfer und der Bürger gedacht, die vom NS-Regime als „unwertes Leben“ bezeichnet und vernichtet wurden.

In Saarlouis haben Schüler des Stadtgarten-Gymnasiums sowie des Max-Planck-Gymnasiums gemeinsam mit Mitgliedern des Ökumenischen Arbeitskreises der Opfer ihrer Heimatstadt gedacht. Startpunkt des Rundgangs war auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofs. Hier wurden am Morgen des 10. November 1938 Juden aus Saarlouis zusammengetrieben und ins KZ Dachau deportiert. „Wir gedenken ihrer, weil wir uns der Verantwortung unserer Geschichte stellen und weil wir eine Gesellschaft wollen, in der alle Menschen gleichberechtigt und mit unveräußerlichen Rechten leben“, sagte der evangelische Pfarrer Jörg Beckers, „die Gräuel und die Verbrechen der Nazis werden auch heute noch von vielen Menschen, auch von Parteien verharmlost. Ihr Schicksal bleibt für alle Zeiten ein Mahnmal, wie grausam und bestialisch der Mensch sein kann. Erinnern ist Teil unserer Menschlichkeit.“ 

In der Saarlouiser Innenstadt putzten die Schüler Stolpersteine – von deportierten Juden, aber auch anderen verfolgten Gruppen, wie Kommunisten oder Menschen mit Behinderung. Besonders berührte die Zehntklässler das Schicksal der zehnjährigen Marlies Löb, die wegen einer Wachstumsstörung gegen den Willen ihrer Familie in eine „Heilanstalt“ kam und ermordet wurde. „Wir gedenken den 80. bis 100.000 geistig und körperlich Behinderten, die von den Nazis als ,Ballastexistenzen‘ und ihre Ermordung als ,Gnadentod‘ bezeichnet wurden. Weitere Stationen waren etwa die Stolpersteine vor der Feuerwache in der Titzstraße. Sie erinnern an Isidor Kahn, Leo Cahn, Ludwig Wollheim und Simon Eschwege: Sie waren Mitglieder der Feuerwehr Saarlouis. „Meint ihr, es ist Vergangenheit oder kommt das wieder?“, fragte Religionslehrer Sascha Jahn die Zehntklässler. Gefangenenlager gebe es auch heute auf der Welt, so würden in Russland Regimekritiker inhaftiert und in China die Uiguren in „Umerziehungslagern“ gefangen gehalten.

Letzte Station war der jüdische Friedhof. „Der Friedhof bringt deutlich zum Ausdruck: Verbrechen fanden nicht irgendwo statt, sondern auch hier“, sagte Pastoralreferent Reinhold Hedrich. Die Schüler waren aufgefordert, kleine Steine auf die Grabsteine zu legen – im Judentum ein Ausdruck dafür, dass die Verstorbenen nicht vergessen werden. 

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Das Interesse am Thema Holocaust sei bei den Schülerinnen und Schülern groß, sagte Religionslehrerin Catharina Nicknig. Im Rahmen der Unterrichtseinheit „Kirche und Nationalsozialismus“ wurden die Zehntklässler auf den Gedenktag vorbereitet. „Aktionen wie diese erweitern den Schulalltag. Sie tragen das im Klassenzimmer Erlernte nach draußen und machen so das Geschehene erfahrbarer“, so Nicknig. „Ich finde es sehr wichtig, dass weiter an die Judenverfolgung und die Verbrechen des Nationalsozialismus erinnert wird. Die Vergangenheit sollte nie vergessen werden und wir sollten aus den Fehlern lernen“, sagte Lukas, Schüler am Stadtgarten-Gymnasium. Das gemeinsame Gedenken habe ihm erneut bewusst gemacht, „dass das Ganze, obwohl es vor vielen Jahren geschehen ist, auch heute noch Thema ist.“